Der Werkstoff Holz

Innovationen im Holzbau: Roboter halten Einzug in kleine und mittelständische Unternehmen

Auch in einen der ältesten Handwerkstechniken hält High-Tech Einzug und eröffnet so ganz neue Möglichkeiten: Denn der nachhaltige Rohstoff Holz lässt sich für ungeahnte Konstruktionen verwenden und aufwändige Verbindungen können heute individuell, aber dennoch kostengünstig realisiert werden.



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Ein Projektmitarbeiter verschraubt manuell Holzbalken, die von zwei Robotern gemeinsam platziert wurden. © NFS Digitale Fabrikation / Roman Keller

Robotik wird in den kommenden Jahren auch im Holzbau eine immer größere Rolle spielen. Dabei ersetzen Roboter die erfahrenen Handwerker und Architekten nicht einfach, sie kooperieren vielmehr mit ihnen. Bereits jetzt haben einige Anlagen die Forschungslabore der Universitäten verlassen, um sich in der Praxis zu bewähren. Erste Projekte versprechen interessante Anwendungsmöglichkeiten und bieten der aufwändigen Holzbearbeitung neue Impulse und vereinfachen die Verwendung des erneuerbaren Werkstoffs Holz. Wir stellen dir zwei interessante Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum vor.

Wenn Handwerker und Computer kooperieren: frischer Wind für den traditionellen Holzbau

Die serielle Vorfertigung hat sich auch im Holzbau bereits seit einiger Zeit etabliert. Dabei kommen prozessspezifische und computernumerisch gesteuerte (CNC) Werkzeugmaschinen zum Einsatz. Da diese nur mit viel Aufwand auf neue, komplexe Konstruktionen anpassbar sind, haben sich verschiedene Universitäten die Entwicklung von Industrierobotern im Holzbau zur Aufgabe gemacht. Damit bieten sie auch kleineren Holzbauunternehmen größere Freiräume bei der Gestaltung und ermöglichen Architekten neue Designideen.

Mithilfe der neuen Entwicklungen in der Automatisierung der Roboteransteuerung werden Materialverhalten und materialgerechte Verarbeitung bereits bei der Planung berücksichtigt und damit eine kostengünstige Vorfertigung von Holzbauteilen möglich gemacht.

Spannende Pilotprojekte für innovativen Holzbau

Der ICD/ITKE Forschungspavillon in Stuttgart

An verschiedenen Architekturfakultäten weltweit wollen Professoren und Studenten mithilfe von computergestützten Modellen und Maschinen den Holzbau revolutionieren. In Stuttgart besann man sich dabei auf eine traditionelle Holzverbindung, die sich in der vorindustriellen Holzbaugeschichte als besonders leistungsstark erwiesen hat: die klassische Fingerzinkenverbindung. Sie garantiert eine optimale Verbindung von Holzteilen und kommt ohne zusätzliche Verbindungsmittel wie Stahl aus. Allerdings war sie aufgrund ihrer dreidimensionalen Komplexität bislang nur begrenzt maschinell produzierbar.

Das Institut für Computerbasiertes Entwerfen konnte zusammen mit dem Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE) bereits im Sommer 2011 einen temporären bionischen Versuchsbau aus Holz realisieren und stabile Monomaterialverbindungen mit unterschiedlichen Materialstärken und verschiedenen Winkeln herstellen. Damit legte man einen geeigneten Ausgangspunkt für viele verschiedene konstruktive Prinzipien.

Die konstruktiven und architektonischen Potenziale, die der bionische Forschungspavillon für die robotische Fertigung im Holzbau aufzeigen konnte, soll vor allem kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommen.

Unter der Leitung von Prof. Achim Menges wurde schließlich ein komplex geformter Holzpavillon realisiert. Grundlage für dessen Planung und Realisierung war eine geschlossene digitale Kette, die das Entwurfsmodell eng mit den Finite-Elemente-Simulationen sowie der Maschinenansteuerung verzahnt. Nur ein optimierter Datenaustausch erlaubt die optimale Formfindung und Tragwerksplanung solch komplexer Geometrien. Immer wieder wurden die Daten in ein Finite-Elemente-Programm eingelesen, mechanisch analysiert und modifiziert, bevor sie an die universitätseigene robotische Fertigungsanlage gesendet wurden. Die über 850 geometrisch unterschiedlichen Plattenbauteile mit mehr als 100.000 frei im Raum angeordneten Zinken konnten so geplant und ökonomisch produziert werden.

Die konstruktiven und architektonischen Potenziale, die der bionische Forschungspavillon für die robotische Fertigung im Holzbau aufzeigen konnte, soll vor allem kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommen und ihre Innovationskraft sowie Wettbewerbsfähigkeit stärken. Weitere Informationen des vom baden-württembergischen Clusters Forst und Holz sowie des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) geförderten Projektes erhältst du hier.

Das DFAB HOUSE in Dübendorf (Schweiz)

In einem Projekt der ETH Zürich wurden ebenfalls neue Verfahren für den digitalen Holzbau entwickelt und nach eigenen Angaben „das Spektrum der Möglichkeiten für den traditionellen Holzbau“ erweitert. Schon seit einiger Zeit können ganze Bauelemente mit computergestützten Anlagen gefertigt und das Rohmaterial mithilfe von Maschinen zugeschnitten werden. Der anschließende Zusammenbau erfolgte jedoch zumeist manuell zu einem ebenen Rahmen. Da dieser Ablauf die geometrische Gestaltungsfreiheit stark einschränkte, suchten die Züricher Forscher nach einer Erweiterung der Möglichkeiten der traditionellen Holzrahmenbauweise. Ziel war es, auch „geometrisch komplexe Holzmodule effizient zu realisieren.“

Während in den neuen „Robotic Fabrication Laboratories“ an der ETH Zürich geforscht und entwickelt wurde, konnten die Forscher mit dem „Spatial Timber Assemblies“, der in enger Zusammenarbeit mit der Erne AG Holzbau entwickelt wurde, ihr Wissen nun bereits in der Praxis testen. Dabei wird im sogenannten DFAB HOUSE, welches sich auf dem Forschungs- und Innovationsgebäude NEST in Dübendorf befindet, erstmals ein großmaßstäbliches Architekturprojekt mit den neu entwickelten Baurobotern umgesetzt.

Mit robotischer Präzision werden Holzkonstruktionen hier nicht nur geplant, sondern auch umgesetzt. Entsprechend der vorherigen Planung durch Architekten und Handwerker nimmt der Roboter Holzbalken auf, um sie an einer Säge in die gewünschte Form zu bringen.

Ein zweiter Roboter bohrt anschließend die erforderlichen Löcher für die Holzverbindung. Zum Schluss ordnen die beiden kooperierenden Roboter die Balken gemäß des Computerentwurfs genau im Raum an. Jetzt können Handwerker die Bauteile manuell verschrauben.

Mensch und Computer arbeiten beim Spatial Timber Assemblies sowohl im Planungs- als auch im Fabrikationsprozess zusammen. Dies erlaubt nicht nur komplexere Konstruktionen, sondern ermöglicht auch leichtere Anpassungen während des Bauprozesses. Schließlich erhalten die Roboter die Informationen darüber, wie die jeweiligen Holzbalken zugeschnitten und angeordnet werden müssen, aus dem computergestützten Gestaltungsmodell. Ändert sich bei der Planung etwas, kann dieses Modell leicht angepasst und bei der Ausführung berücksichtigt werden.

Roboter werden auch in Zukunft keine Handwerker ersetzen, sondern vielmehr mit ihnen kooperieren.

Der größte Vorteil der Spatial Timber Assemblies liegt für Matthias Kohler, Professor für Architektur und Digitale Fabrikation an der ETH Zürich und Projektinitiant des DFAB HOUSE, klar auf der Hand: „Diese integrierte digitale Bauweise überwindet die Distanz zwischen Entwurf, Planung und Ausführung.“ Mehr Informationen zu diesem Projekt findest du hier.

Potenziale und Grenzen der Robotik im Holzbau

Egal ob massive Holzbalken oder Holzpressplatten – die Robotik erweitert die Potenziale des Holzbaus und vereinfacht die innovative Nutzung dieses alten Materials. Aufgrund der automatisierten, präzisen Verarbeitung bekommen traditionelle Holzverbindungen, die in Handarbeit nur aufwändig herzustellen sind, neuen Aufwind. Gleichzeitig sind dank der genauen Berücksichtigung des Materialverhaltens und dessen Verarbeitung neue, kreative Lösungen möglich.

So kann die erforderliche Steifigkeit und Tragfähigkeit einer Konstruktion durch die geometrische Anordnung erreicht werden. Verstärkungsplatten, die beispielsweise in der traditionellen Holzrahmenbauweise zur Aussteifung genutzt werden, entfallen damit. Dies ermöglicht nicht nur neue Gestaltungskonzepte, sondern spart auch Material und schont somit die Umwelt. Selbst reine Holzverbindungen sind durch die automatisierte Verarbeitung kostengünstig umsetzbar.

Dennoch werden Roboter auch in Zukunft keine Handwerker ersetzen, sondern vielmehr mit ihnen kooperieren, z. B. indem sie körperlich anstrengende Arbeiten abnehmen. Auch den kreativen Teil im Holzbau werden Roboter zukünftig nicht übernehmen. Allerdings stehen den ausgeklügelten Computermodellen Architekten zur Seite, die neue Designideen entwickeln und direkt die Umsetzbarkeit berechnen. Die Ausführungsplanung rückt damit ganz nah an den Entwurf. Gleichzeitig wird die Koordinierung der einzelnen Fachplaner verbessert und die Umsetzung beschleunigt. Für Häuslebauer sind somit individuelle Lösungen sowie schnellere Bauzeiten möglich.


Hubert ist das neue Online-Magazin für Holz-Kultur, das hochwertige und mitreißende Beiträge rund um den Baustoff Holz liefert. Hubert wird herausgegeben von Sorpetaler Fensterbau.

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